Christoph Sieber

Christoph Sieber PorträtChristoph Sieber ist Kabarettist, Jahrgang 1970, Moderator der WDR-Mitternachtsspitzen und tourt seit über 20 Jahren durch die Lande. Er hat sich freundlicherweise am 02.09.2022 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

• Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Vielen Dank für die Frage. Durch sie ist mir erst wieder klar geworden wie wenig Kontakt ich heute zu Menschen mit Behinderung habe. Dabei habe ich wenig Berührungsängste, denn ich habe Zivildienst gemacht. Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung bei an Multipler Sklerose Erkrankten. Gleich nach dem Abitur eine wahrhaft lehrhafte Zeit. Sie hat mir gezeigt wie wenig selbstverständlich ein gesundes Leben ist.

Da habe ich Menschen betreut, die keine zwei Jahre älter als ich waren, aber bereits so weit eingeschränkt, dass sie nur noch mit Hilfe trinken, essen und sich fortbewegen konnten. Es hat mir aber auch gezeigt, wie oft wir von einer körperlichen Behinderung direkt auf eine geistige Behinderung schließen und Menschen, die sich seltsam bewegen oder seltsam sprechen, nicht mehr für voll nehmen. Und dann ziehen die dich im Schach nach Strich und Faden ab.

Ich habe in jener Zeit sehr schnell gemerkt, dass Mitleid völlig fehl am Platz ist, weil Mitleid niemandem etwas nutzt. Mitleid steht sogar oft konkreter Hilfe im Weg, weil sie ein Gefälle schafft zwischen dem scheinbar Gesunden und dem Eingeschränkten.

Ich habe aus jener Zeit eine Demut gegenüber dem Leben mitgenommen. Eine Dankbarkeit für das, was ist und nicht dem hinterher zu weinen, was sein könnte. Sich in die Lage eines Betroffenen hineinzuversetzen halte ich für vermessen. Vor allem, weil sich ein Leben mit Behinderung sehr wahrscheinlich für jeden anders anfühlt.

Ich wünsche mir sehr, dass Menschen mit Behinderung im Alltag sichtbarer werden. Und ich empfinde es eine fatale Entwicklung, dass mithilfe der Pränataldiagnostik Kinder mit Behinderung frühzeitig aussortiert werden.

Wir wissen es doch: Wer Defizite auf der einen Seite hat, der entwickelt sehr oft Stärken auf der anderen Seite. Wir sollten die Stärken bewundern und nicht mit dem Finger auf die Defizite zeigen. Denn niemand von uns ist perfekt. Und das ist einfach gut so.

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