Alexander Weise

Alexander Weise Porträt
Fotografin: Elena Zaucke

Alexander Weise, hat sich freundlicherweise am 17.10.2022 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

• Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Neben der Schauspielerei bin ich auch Regisseur u.a. von Sprechchören für Theaterproduktionen. Für die Inszenierung „Medea“ am Residenztheater München habe ich einen 25 – köpfigen Mädchenchor erarbeitet. Dort bin ich Maja begegnet. Maja hat das Down – Syndrom und ist eine Schauspielerin durch und durch. Für mich war das eine der tollsten und bewegendsten, künstlerischen Begegnungen der letzten Jahre. Die Art der Wahrnehmung, des Lernens, der Intuition hat mich in der Arbeit verändert und mich stark gemacht, mehr zu vertrauen. Denn ich konnte Maja vertrauen.

Im Moment inszeniere ich mit „Rights for Children“ die UN – Kinderrechtskonvention als Chortheaterprojekt mit Kindern und Jugendlichen und dem Schauspieler Andrei Tacu in Berlin. Wir feiern am 9. November 2022 die Premiere der Aufführung. www.rightsforchildren.de An diesem Projekt nehmen ebenfalls Kinder mit Down – Syndrom teil. Das war mir von Beginn an sehr wichtig.

Eine von ihnen schaut oder hört bei den Proben oft nur zu. Doch wenn sie schließlich mitmacht, kann sie den Text, die Bewegungen und weiß alles, worum es geht. Das ist wundervoll. Ich liebe und genieße den direkten Kontakt zu ihr sehr und würde mir wünschen, dass mehr Menschen diese Nähe leben könnten.

• Gibt es für Sie eine Geschichte oder Anekdote – lustig, nachdenklich stimmend oder auch tragisch – die Sie uns in diesem Zusammenhang mitteilen möchten?

Es gibt sehr viele kleine Erlebnisse in den Begegnungen. Letztens kam ich zur Probe, war müde und fühlte mich nicht besonders gut. Da sagte Thibaud (der ebenfalls das Down – Syndrom hat): „ Du siehst hübsch aus.“ Ich habe mich total gefreut und er sich mit mir. Also sagte er es m it einem großen Lachen den ganzen Tag: „Du bist hübsch, du bist hübsch.“ Das war toll. Ich war sehr dankbar.

Bei einer anderen Probe hatten wir Besuch. Die Person schaute zu und es gefiel ihr eigentlich. Das Gesicht erzählte allerdings etwas anderes. Ich dachte auch schon, na ob der das gefällt. Interessanterweise ging bei den Kindern mit Down-Syndrom nicht mehr viel, sie konnten ihren Text nicht und waren nicht bei sich. Das konnte ich verstehen. Warum können wir es manchmal so schlecht zeigen, wenn wir etwas gut finden? Ich war ihnen in diesem Moment sehr nah und dankbar.

• Vertreten Sie, eventuell durch eigene Erfahrungen ausgelöst, bestimmte Ansichten zum Umgang mit dem Thema ‚Behinderung’ in der Öffentlichkeit, zur Sozialpolitik, zur Rolle der Medizin oder des Gesundheitswesens?

Die Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Down-Syndrom hat mich darin bestärkt, für Inklusion in jeder Hinsicht einzutreten. Es wird noch viel zu wenig dafür getan. Das erzählen mir auch die Eltern. Ich hoffe, dass auf unserer Podiumsdiskussion am 11. November 2022 dieser Mangel zur Sprache kommen wird. Dort werden Politiker:innen und Menschen aus der Praxis miteinander über die Lücke zwischen Vorhaben und Verwirklichung bei der Umsetzung von Rechten diskutieren. Es gibt also die Möglichkeit, Tacheles zu reden. Und das ist auch unser Ansinnen.

• Setzen Sie sich für soziale Projekte ein, vielleicht sogar im Bereich Behindertenförderung? Haben Sie konkrete Vorstellungen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und worin Lösungsmöglichkeiten bestehen könnten?

Bei meiner Suche nach Menschen mit Behinderung für „Rights for Children“ habe ich eine Erfahrung gemacht, die mich beeindruckt hat. Ich schrieb Schulen oder andere Organisationen an, um Mitspieler:innen zu finden. Aber dort gab es überhaupt keine Verbindung zu jungen Menschen mit Behinderung. Niemand kannte welche. Als ob es sie gar nicht gäbe. Erst als ich die Organisation ​Downsyndrom Berlin anschrieb, kam direkt Leben in die Bude. Meine Mail wurde weitergeschickt und es gab großes Interesse.

Das zeigt mir, dass Menschen mit Behinderung überhaupt nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, im Gegenteil, ich musste sie suchen, irgendwo in einer Ecke, sie sind oft an den Rand gedrängt. Das muss sich ändern. Unbedingt. Es führt kein Weg an Inklusion vorbei. Ich kann aus den Proben heraus berichten: In manchen Momenten braucht man vielleicht etwas mehr Geduld, aber es ist eine Riesenbereicherung! Warum nicht auch in Schulen, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, in der Politik, der Kultur, überall da, wo Menschen zusammenkommen? Erst dadurch wird sich etwas ändern. Es braucht viel mehr Begegnung. Ich werde mich in meinen zukünftigen Projekten stets darum bemühen.

• Können Sie sich in die Lage Betroffener hineinversetzen? Würden Sie, wären Sie selbst betroffen, trotz der körperlichen Einschränkungen versuchen, im Rahmen des Möglichen Ihre bisherige (künstlerische) Arbeit fortzusetzen?

Durch die Erfahrungen und durch die Berührungspunkte der letzten Jahre verstehe ich mehr. Auch wieviel Kraft es braucht, das Leben zu bestehen, auch oder gerade für die Betreuer:innen und Eltern. Wahnsinn, was die leisten, mit wieviel Hingabe und Liebe. Die braucht es auch. Meine künstlerische Arbeit würde ich in jedem Fall fortsetzen. Eine Behinderung ist in dem Fall überhaupt keine Ver-hinderung. Vielleicht im Gegenteil: Sie öffnet neue Wege.

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