Bernd-Christian Althoff

Bernd-Christian Althoff Porträt
Copyright: Heiko Laschitzki

Bernd-Christian Althoff, hat sich freundlicherweise am 25.01.2023 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

Als Schauspieler stehe ich natürlich regelmäßig vor der dankbaren Herausforderung Figuren, bzw Rollen fuer mich zu entdecken. Daher glaube ich, dass ich mich sehr gut in andere Menschen hineinversetzen kann. Sonst hat man hier den Beruf eher verfehlt.

Um sich andere Charaktere zu eigen zu machen, egal ob aus Romanen, Drehbüchern, Theaterstücken, oder historische Figuren, ist auch die sogenannte Körperlichkeit ein wichtiges Puzzleteil.

Ich habe vor Jahren in einer Inszenierung am Staatstheater Mainz einen blinden Mann im Rollstuhl gespielt, der hellseherische Kräfte besaß. Das heißt ich habe sechs Wochen im Rollstuhl geprobt.
Das klingt natürlich wie ein Witz, wenn man tatsächlich auf den Rollstuhl angewiesen ist, aber mir hat das eine klitzekleine Ahnung gegeben, was es heißt in seiner Mobilität eingeschränkt zu sein. Zusätzlich war die Figur blind, d.h. ich konnte auch nicht mal kurz den Blick senken um zu schauen, wo das Rad des Stuhls gerade genau blockiert.

Dann stellt man schnell fest wie viele Hindernisse es dann in so einem Theaterprobenraum gibt und das hat dann schon hier und da Frustration bei mir ausgelöst. Während dieser Arbeit habe ich natürlich intensiv darüber nachgedacht, wie kompliziert dann ein Alltag sein muss.

Ich habe auf jeden Fall irgendwie versucht mir den Rollstuhl zu eigen zu machen. Ob ich das jetzt alles überzeugend gespielt habe oder nicht sei mal dahin gestellt, aber jetzt kann ich auf jeden Fall in einem Rollstuhl auf den Hinterrädern fahren ohne umzufallen.

Ich habe auch mal eine Figur gespielt, der Hände und Zunge abgeschnitten wurden. Klingt jetzt brutal, sorry. Aber auch da hieß es dann sich anders verständlich zu machen, ohne einfach sagen zu können, was man möchte.

Eine weitere Arbeit am Theater, die ich in diesem Zusammenhang erwähnen könnte, befasste sich mit einer Figur, die meiner Meinung nach große Schnittstellen mit dem US-Präsidenten John F. Kennedy hatte. Was viele vielleicht nicht wissen ist, dass JFK seit seiner Kindheit riesige Probleme mit seinem Rücken hatte, er Korsett tragen musste, permanent auf härteste Schmerztabletten und Injektionen angewiesen war, und nur auf dem harten Fußboden Schlaf finden konnte.

Ich habe vor Jahren während meiner Zeit auf der Schauspielschule in Wien die Erlebnisausstellung „Dialog im Dunkeln“ besucht. Dort wird man in absoluter Dunkelheit von blinden Guides durch einen lichtlosen Ausstellungsparcour geführt, in dem Alltagssituationen simuliert werden.

Man kann z.B. eine Straße überqueren, auf dem Markt einkaufen oder einfach nur Dinge ertasten, riechen, schmecken. Wie gesagt im dunkeln. Das war eine spezielle Erfahrung, die zwar für mich eher dazu diente die Sinne zu schärfen, aber natürlich entwickelt man dadurch auch einen anderen Respekt und ein anderes Verständnis für Betroffene.

Wahnsinnig beeindruckend wie überlegen sich die Guides dort im Gegensatz zu den Besuchern zurechtgefunden haben. Ich bin dort im Schneckentempo eher durchgestolpert. Ich erinnere mich aber auch an den Moment an dem ich wieder ans Tageslicht kam und plötzlich meine Fähigkeit zu sehen ganz neu zu schätzen wusste. Durch die intensive Beschäftigung mit gewissen Themen entsteht eine große Sensibilisierung und das bringt mich auch hier den Menschen natürlich näher. Zumindest fühlt es sich für mich so an.

Einer meiner Freunde, den ich seit dem Kindergarten kenne, ist schwer gehbehindert. Das klingt übrigens gerade sehr seltsam wenn ich das hier schreibe, weil das in unserem Freundeskreis immer total egal war. Er war natürlich immer mit dabei, wenn wir ausgegangen sind, hat z.B. auch mit Fußball gespielt. Er war jetzt nicht der Mann für den Vollsprint, eher Torwart-Libero – aber das war generell überhaupt kein Thema. Als Kind fand ich es übrigens super beeindruckend, dass er im Handstand extrem schnell laufen konnte. Und zwar die Turnhalle rauf und wieder runter. Für mich war das immer artistische Körperbeherrschung pur.

Heute habe ich riesigen Respekt davor, wie er da immer so mit umgegangen ist, besonders als Kind. Muss ich ihm mal sagen bei Gelegenheit. Anhand dieses Beispiels lässt sich aber auch aufzeigen, wie wichtig es ist mit mit Betroffenen in Kontakt zu kommen, um Vorurteile gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Ich glaube, dass vieles auf dem Weg ist, aber generell finde ich, dass viel mehr für Menschen mit Beeinträchtigungen gemacht werden muss. Angefangen beim Thema Barrierefreiheit, über die Inklusion, bis hin zur Sichtbarkeit in Film und Fernsehen. Auch da besteht ein grosser Aufholbedarf.

Was ich tun würde, wenn ich selbst betroffen wäre lässt sich schwer einschätzen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass ich natürlich versuchen würde meinen Beruf weiter auszuführen. Dass allerdings die aktuellen Strukturen und Sehgewohnheiten des Publikums zulassen würden, dass ich weiterhin so regelmäßig in dem Beruf arbeite, ist allerdings mehr als zweifelhaft.

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