Axel Fischer

Axel Fischer vor einer bemalten Felswand
Copyright: Nadine Dilly

Axel Fischer hat sich freundlicherweise am 15.04.2023 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

• Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Ich habe schon häufig Shows gespielt, bei denen Menschen mit einer Behinderung zu Gast waren. Gerade erst vor kurzem hatte ich einen Auftritt in Köln, bei dem sich in der 1. Reihe ein Rollstuhlfahrer befand, dessen Freunde („Fußgänger“) mit ihm zusammen gefeiert haben. So eine ausgelassene Stimmung habe ich selten erlebt und war zutiefst beeindruckt! Soweit möglich, versuche ich natürlich auch Menschen mit Behinderung aktiv an der Show teilhaben zu lassen, zum Beispiel in Form einer gemeinsamen Gesangseinlage.

Einmal habe ich ein T-Shirt zu einem Zuschauer mit Rollstuhl ins Publikum geworfen. Vor seiner Nase hat ein anderer Besucher („Fußgänger“) ihm das T-Shirt jedoch weggefangen. Das fand ich unglaublich und habe es auch über das Mikro entsprechend kommuniziert. Er hat das T-Shirt dann noch bekommen. Grundsätzlich finde ich es toll, wenn alle zusammen feiern, egal ob mit oder ohne Behinderung. Das sollte doch das Normalste der Welt sein!

• Gibt es für Sie eine Geschichte oder Anekdote – lustig, nachdenklich stimmend oder auch tragisch – die Sie uns in diesem Zusammenhang mitteilen möchten?

In unserer Familie gab es bereits eine tragische Situation: Meine Oma hat damals eine schlimme Diagnose bekommen. Es gab nur zwei Möglichkeiten, die die Ärzte uns in Aussicht stellten: Entweder müsste ein Bein amputiert werden oder sie würde voraussichtlich innerhalb kürzester Zeit versterben. Meine Oma wollte die Entscheidung nicht alleine treffen und hat die Familie mit einbezogen.

Das Bein wurde schließlich amputiert und meine Oma war von dort an – auch aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters – größtenteils an ihr Bett gebunden und pflegebedürftig. Sie selbst litt sehr unter der Situation. Ich war damals relativ jung, dennoch hadere ich noch heute mit dem Ausgang. Es gibt solche schwierigen Situationen im Leben, in denen es einfach keine Happy End Ausgänge gibt, das macht mich nachdenklich und traurig.

• Vertreten Sie, eventuell durch eigene Erfahrungen ausgelöst, bestimmte Ansichten zum Umgang mit dem Thema ‚Behinderung’ in der Öffentlichkeit, zur Sozialpolitik, zur Rolle der Medizin oder des Gesundheitswesens?

Auch wenn ich das selbst sicher nicht umfassend einschätzen kann, habe ich den Eindruck, dass die Politik einfach ihre Scheuklappen zu selten abnimmt. Bei uns in der Stadt ist zum Beispiel die halbe Innenstadt voll mit „huppeligen“ Pflastersteinen, die reinsten Stolperfallen. Das ist eine Zumutung für alle Menschen mit einer Gehbehinderung. Es ist mir auch unerklärlich, wie es zu unserer Zeit noch immer sein kann, dass es an Bahnhöfen keine Aufzüge gibt.

Ganz ehrlich: Ich verstehe das nicht! Ich merke schon selbst wie beschwerlich das Reisen mit meinem Equipment ist, wie soll es da Menschen im Rollstuhl oder mit Gehwagen ergehen? Es wird für so viele Dinge Geld ausgegeben (zum Beispiel Autobahnbrücken für Insekten). Ich möchte das an dieser Stelle gar nicht weiter beurteilen, frage mich aber dennoch wie es sein kann, dass die Barrierefreiheit an vielen Orten noch immer so extrem eingeschränkt ist. Das ist ein absolutes No-go!

• Setzen Sie sich für soziale Projekte ein, vielleicht sogar im Bereich Behindertenförderung? Haben Sie konkrete Vorstellungen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und worin Lösungsmöglichkeiten bestehen könnten?

Ich habe schon viele Benefizkonzerte gespielt, bei denen die Erlöse sozialen Projekten zu Gute gekommen sind (hierzu gehören natürlich auch Projekte im Bereich der Behindertenhilfe). An Weihnachten habe ich in der Vergangenheit auch häufig schon ehrenamtlich in Alten- und Pflegeheimen gesungen. Das hat immer Spaß gemacht!

Wo besonderer Handlungsbedarf besteht, ist für mich schwer einzuschätzen. Es gibt sicher sehr viele verschiedene und größtenteils auch individuelle Förderschwerpunkte. Ein Punkt ist sicherlich die Sicherstellung von Betreuungs- und Pflegepersonal. Die Politik hat sich dieser Aufgabe ja bereits angenommen, nur habe ich Bedenken, dass der Bedarf wirklich gedeckt werden kann.

• Können Sie sich in die Lage Betroffener hineinversetzen? Würden Sie, wären Sie selbst betroffen, trotz der körperlichen Einschränkungen versuchen, im Rahmen des Möglichen Ihre bisherige (künstlerische) Arbeit fortzusetzen?

Das sind gute Fragen, die schwer zu beantworten sind. Ich war einmal in Hamburg bei Dialog im Dunkeln. Hier tauchen „Sehende“ in die Welt von erblindeten Menschen ein. Das war für mich ein unglaubliches und prägendes Erlebnis. Man empfindet den Hör- und Tastsinn plötzlich viel intensiver. Im ersten Moment waren sicherlich auch ängstliche Gefühle vorhanden, ich habe den Gastgebern, die uns geführt haben, aber zu 100% vertraut. Auch als wir am Ende des Rundgangs in einem komplett abgedunkelten Restaurant saßen und bezahlten, ohne zu wissen, was da gerade mein Portemonnaie verlassen hat. Ganz zum Schluss tauchten wir wieder in das Licht ein und sahen zum ersten Mal die Guides, die uns geführt haben. Das war für mich ein Gänsehautmoment, denn es blieb auch der Gedanke zurück: „Ich habe mein Augenlicht wieder, doch für diese Menschen bleibt die Welt so wie wir es in den vergangenen Minuten erleben haben.“

Da ist einfach ein Gefühl von ganz großem Respekt in mir, den ich aber schwer in Worte fassen kann. Mir fällt es auch schwer einzuschätzen, ob meine Arbeit mit einer Behinderung fortzusetzen wäre. Das hängt sicherlich von der Beeinträchtigung ab. Ich liebe meinen Job, weiß allerdings auch, dass viele Bühnen und auch Backstagezugänge alles andere als Barriere frei gebaut sind.

Ich möchte mich zum Schluss noch einmal für die Einladung zur Beteiligung auf dieser Website bedanken. Ich finde es wichtig, dass es Menschen gibt, die sich so engagieren und solche Projekte wie diese Website auf die Beine stellen. Hut ab und weiterhin alles Gute! Vor allem natürlich allen Betroffenen, denen ich viel Mut, Zuversicht und meinen tiefsten Respekt aussprechen möchte.

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