Tobias Mann

Tobias Mann sitzend auf einer Treppe
Fotograf: Thomas Klose

Tobias Mann hat sich freundlicherweise am 22.05.2023 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

• Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Da wäre sicherlich zuallererst mein Zivildienst zu nennen, den ich bei den Johannitern in Mainz abgeleistet habe. Dort war ich beim Fahrdienst für Menschen mit Behinderung beschäftigt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwar immer mal wieder in der Jugendarbeit der Kirchengemeinde vereinzelt mit dem Thema Behinderung zu tun, aber der Fahrdienst war in vielerlei Hinsicht augenöffnend und für mich eines der prägendsten Erlebnisse überhaupt. Da wir auch Touren für die Mainzer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gemacht haben, fühlte ich mich anfangs von den vielfältigen, unterschiedlichen Formen der Behinderung und allem, was damit zusammenhängt, tatsächlich überfordert.

Es war so, als hätte man vorher in einem Elfenbeinturm gelebt und davon nichts mitbekommen. Über die Arbeit habe ich unendlich viel über die Schicksale und Probleme der Menschen, aber auch über deren Freuden, über deren oft überaus positive und optimistische Lebenseinstellung gelernt. Es ist ein Bereich des Lebens, mit dem man sich unbedingt beschäftigen sollte. Ich will diese Zeit nicht missen.

• Gibt es für Sie eine Geschichte oder Anekdote – lustig, nachdenklich stimmend oder auch tragisch – die Sie uns in diesem Zusammenhang mitteilen möchten?

Als besonders tragisch habe ich seinerzeit die Situation derer empfunden, die im täglichen Leben auf Betreuung angewiesen und damit von der Funktionalität eines Systems abhängig sind, das sie nicht beeinflussen können. All die theoretischen, politischen Diskussionen über den Pflegesektor bekamen dann für mich plötzlich ganz konkrete sichtbare Auswirkungen auf Menschen, mit denen ich zu tun hatte.

Es war aber auch immer wieder absolut bewundernswert, mit welcher Lebensfreude viele Menschen mit Behinderung sich ihrer Situation stellen. Das erweitert den Blick und kann nur Vorbild für einen selbst sein. Insofern habe ich tatsächlich viel von meinen Fahrgästen gelernt.

• Vertreten Sie, eventuell durch eigene Erfahrungen ausgelöst, bestimmte Ansichten zum Umgang mit dem Thema ‚Behinderung’ in der Öffentlichkeit, zur Sozialpolitik, zur Rolle der Medizin oder des Gesundheitswesens?

Ich halte diesen Bereich für den Maßstab, an dem man eine Gesellschaft bewerten sollte. Teilhabe am Leben, ein menschenwürdiges Dasein und das Recht auf individuelle, gute Gesundheitsversorgung sind Grundpfeiler eines humanistischen Umgangs mit Individuen.

• Setzen Sie sich für soziale Projekte ein, vielleicht sogar im Bereich Behindertenförderung? Haben Sie konkrete Vorstellungen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und worin Lösungsmöglichkeiten bestehen könnten?

Ich mache immer mal wieder Benefizauftritte für soziale Einrichtungen, engagiere mich für das „Human Help Network“, das auf internationale Kinderhilfe spezialisiert ist, und bin seit neuestem Botschafter des Kinderhospiz „Sterntaler“ in Dudenhofen. Am Ende des Tages drehen sich viele Probleme in diesen Bereichen um Geld. So platt das klingt, aber wenn eine finanzielle Unterversorgung vorliegt, kann die Sache nicht funktionieren. Das fängt bei der materiellen Ausstattung von Einrichtungen an und hört bei den zu niedrigen Löhnen in Pflegeberufen auf.

Leider gibt es in diesem Bereich nicht die starken Lobbygruppen, die es bei anderen Themen gibt, und auch politisch wird darüber viel zu viel geredet und zu wenig getan. Insofern versuche ich, wo ich die Möglichkeit habe, selbst etwas zu tun und immer wieder darauf aufmerksam zu machen.

• Können Sie sich in die Lage Betroffener hineinversetzen? Würden Sie, wären Sie selbst betroffen, trotz der körperlichen Einschränkungen versuchen, im Rahmen des Möglichen Ihre bisherige (künstlerische) Arbeit fortzusetzen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich kann über all diese Themen immer nur als Nichtbetroffener sprechen und würde es mir niemals anmaßen zu behaupten, dass ich wüsste, wie sich Menschen mit Behinderung fühlen. Darum höre ich aufmerksam zu und versuche zu verstehen, wo die individuellen Probleme liegen. Was ich allerdings sicher weiß, ist, dass ich meine satirische Arbeit liebe – gerade auch, weil sie mir eine Möglichkeit gibt, den widrigen Umständen des Lebens mit Humor zu begegnen. Ich kann daher nur hoffen, dass ich – wäre ich von heute auf morgen betroffen – im Rahmen der neuen Umstände wieder mein Humorzentrum anzapfen würde.

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