Sascha Nathan

Sascha Nathan PorträtSascha Nathan hat sich freundlicherweise am 18.10.2023 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

Wie viele andere neige ich sicher dazu, Themen, die mich nicht unmittelbar betreffen, zu verdrängen oder nicht ausführlich genug wahrzunehmen. Vermutlich aus Angst. Man kann es Berührungsangst nennen, aber ich fürchte, es geht tiefer. Um ehrlich zu sein, ist es vermutlich die Angst davor, selbst oder in der Familie einen solchen Schicksalsschlag zu erleiden. Als ob man sich davor schützen könnte, indem man sich mit dem Thema nicht auseinandersetzt… es ist absurd.

Meine Mutter war von Geburt an Gehbehindert und hat in ihrer Jugend immer wieder Nachteile auf Grund dieser Behinderung erfahren. Das hat sie letztendlich zu einer Frau werden lassen, die sehr verbittert und teilweise aggressiv auf ihre Rechte als Schwerbehinderte bestand (Sitzplatz in Bus und Bahn/ Vergünstigungen, etc.) – nach dem Motto: ich bin doch behindert, mir stehen diese Dinge per se zu. Sie tat, als wären alle Anderen an ihren Einschränkungen schuld. Als Kind waren mir solche Situationen regelrecht unangenehm, aber heute verstehe ich natürlich den Impuls, dieser Ungerechtigkeit genüge leisten zu wollen. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass sie einen anderen Umgang damit gefunden hätte.

Andererseits habe ich einen kleinwüchsigen Freund, der, ganz im Gegenteil zu meiner Mutter, seine Behinderung immer sehr humorvoll herunterspielt – nach dem Motto: hey, für mich bloß keine Extrawurst, ich komm schon klar. Das mag vielleicht ein angenehmerer Umgang damit sein, aber wäre es nicht erstrebenswert, in einer Gesellschaft zu leben in der es nicht der Rollstuhlfahrer, der Kleinwüchsige, der Mensch mit Trisomie 21 oder sonst einer Beeinträchtigung nötig hat, sich anzupassen; sondern dass Dinge wie Hilfsbereitschaft und Barrierefreiheit einfach selbstverständlich sind?!

Wieviele U-Bahn-Stationen es allein in Berlin gibt, die ausschließlich über Treppen zu erreichen sind, ist einfach unglaublich! Und Fahrstühle werden dann noch von Kofferträgern und Fußgängern blockiert. Diesen Leuten möchte man zurufen: „Leute! Habt doch bitte ein Bewusstsein für Eure Mitmenschen!“

In diesem Sinne, danke ich Ihnen, dass Sie mich mit Ihrer Einladung hier etwas zu schreiben, zum Nachdenken bewegt haben. Lasst uns, Betroffene wie Nicht-Betroffene, über unsere Ängste reden. Denn ich bin überzeugt, es ist nicht die Ignoranz der Leute, sondern es fehlt oft an einem Bewusstsein, gepaart mit den angesprochenen Berührungsängsten. Um so hehrer ist dieses Projekt mit dem absolut passenden Appell: „Let´s talk about handicap“!

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