Anny Hartmann

Anny Hartmann Porträt
Copyright: BR/FotoSessnerg

Anny Hartmann hat sich freundlicherweise am 13.04.2023 zu ihren Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

• Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Durch Ihre Frage habe ich drüber nachgedacht und mit Erschrecken festgestellt, dass ich tatsächlich keinen behinderten Menschen kenne. Da ich allein durch meinen Beruf viele Menschen kenne, zeigt das ja, wie sehr sogenannte Behinderte aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das fängt ja leider schon in der Schule an. Warum gehen rein bewegungseingeschränkte Kinder nicht mit den anderen in eine Klasse? Das würde das Leben für alle leichter machen und wir alle könnten besser miteinander umgehen.

• Gibt es für Sie eine Geschichte oder Anekdote – lustig, nachdenklich stimmend oder auch tragisch – die Sie uns in diesem Zusammenhang mitteilen möchten?

An Bahnhöfen sehe ich häufiger mal blinde Menschen, die ich meistens (es sei denn ich renne gerade zum Zug) frage, ob sie klar kommen, oder eine Info von mir brauchen können. Manche reagieren unwirsch, weil sie natürlich auch alleine klar kommen, andere sind dankbar für mein Angebot. Ich stelle in so Momenten immer fest, wie gehemmt und ungeschult wir im Miteinander sind. Aber ich denke mir immer: lieber einmal zu viel gefragt, als einmal zu wenig.

• Vertreten Sie, eventuell durch eigene Erfahrungen ausgelöst, bestimmte Ansichten zum Umgang mit dem Thema ‚Behinderung’ in der Öffentlichkeit, zur Sozialpolitik, zur Rolle der Medizin oder des Gesundheitswesens?

Als erstes fällt mir ein, dass es mich in jedem Aufzug ärgert, wenn das Bedienfeld senkrecht und weit oben angebracht ist – also für Stehende. Warum nicht waagerecht weiter unten? Da kämen alle gut dran. Das ist so eine Gedankenlosigkeit, die mich aufregt. Naja und die Sozialpolitik… da bekomm ich sofort Puls 😉 Allein, dass behinderte Menschen kein Vermögen ansparen dürfen… und dann diese ganzen Anträge für Hilfsmittel, die dann von der Kasse erst mal abgelehnt werden und nur nach Widerspruch bewilligt werden… usw.

Oder wenn man sieht, dass z.B. in den Niederlanden jeder Bordstein abgesenkt ist, nicht nur, damit Radfahrer da gut rüber kommen, sondern auch, damit Rollis und Rollatoren einfach die Straßenseite wechseln können. Oder dass in Portugal an jeder Schlange (Supermarkt, Amt, was auch immer) gehbehinderte Menschen Vorrang haben – egal wie lang die Schlange ist, Behinderte kommen sofort dran. In Deutschland leider unvorstellbar. Ich habe mal die Aussage einer behinderten Frau gehört: „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert.“ Das kann man wohl leider genau so unterschreiben.

• Setzen Sie sich für soziale Projekte ein, vielleicht sogar im Bereich Behindertenförderung? Haben Sie konkrete Vorstellungen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und worin Lösungsmöglichkeiten bestehen könnten?

Für Behindertenförderung setze ich mich tatsächlich nicht ein – wahrscheinlich eben weil ich (und viele andere auch) da keine Berührungspunkte haben. Allerdings unterstütze ich schon lange andere soziale Projekte für Geflüchtete, misshandelte Frauen, einen Verein, der gegen Lobbyismus kämpft und wegen meines aktuellen Programms „Klima-Ballerina“ auch eine Umweltschutzorganisation.

• Können Sie sich in die Lage Betroffener hineinversetzen? Würden Sie, wären Sie selbst betroffen, trotz der körperlichen Einschränkungen versuchen, im Rahmen des Möglichen Ihre bisherige (künstlerische) Arbeit fortzusetzen?

Über Empathie verfüge ich durchaus, aber mir vorzustellen, wie kompliziert das Leben ist, wenn man sich nicht frei und selbständig bewegen kann… ich denke das kann ich nicht. Man kann glaube ich höchstens eine Ahnung haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich gesund bin – würde aber natürlich auch mit einer körperlichen Einschränkung versuchen, weiter als Kabarettistin unterwegs zu sein.

Angaben zur Person: Anny Hartmann wurde in Köln geboren und studierte dort Volkswirtschaftslehre, das Studium schloss sie im Jahr 2000 mit Diplom ab. Danach arbeitete sie bei einer Bank, fühlte sich aber dort nie wohl. Also gab sie im Jahr 2003 ihr bürgerliches Leben auf, zog nach Berlin und wurde Bühnenkünstlerin, erst im Bereich Comedy, ab 2009 politische Kabarettistin. Genau da hat sie ihre Berufung gefunden. Mittlerweile lebt sie glücklich verheiratet in Nordhessen.

Zeen is a next generation WordPress theme. It’s powerful, beautifully designed and comes with everything you need to engage your visitors and increase conversions.

Top 3 Stories