Christian Baumann

Christian Baumann PorträtChristian Baumann, hat sich freundlicherweise am 24.11.2022 zu seinen Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

•Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Bei meiner Arbeit habe ich Kontakt mit behinderten Menschen, da ich immer wieder als Sprecher für die Audiodeskription arbeite. Für Filme und Fernsehsendungen werden Bildbeschreibungen erstellt, die es sehbehinderten oder blinden Menschen ermöglichen visuelle Inhalte akkustisch wahrzunehmen. Dieser Text wird dann in die Passagen zwischen Dialog und Musik als separate Tonspur eingefügt.

Elmar Dosch, einer der Redakteure solcher Hörfilmproduktionen beim Bayerischen Rundfunk, ist selbst blind und ein großer Cineast. Das war er bereits, als es Filmbeschreibungen noch nicht gab. Da saß er im Kino, konnte bis zu einem gewissen Grad der Handlung folgen, scheiterte aber an dem Punkt wo es nicht mehr möglich war nur anhand der Dialoge und Geräusche zu einem Gesamteindruck des Films zu gelangen. Das hat ihn zu einem der Initiatoren des Hörfilms werden lassen. Nun arbeitet er schon seit vielen Jahren als Regisseur im Tonstudio wenn es darum geht Filme zu beschreiben. Bei den Sprachaufnahmen hat er mir u.a. verdeutlicht wie schnell die akkustische Auffassungsgabe bei Blinden sein kann und wie wichtig es ist die Sinnhaftigkeit des Geschilderten immer wieder zu hinterfragen.

Dabei sollte keine Information vorweg genommen werden, die man als Sehender auch erst durch unterschiedliche Blickwinkel erhalten würde. Sich auf diese Weise der Situation eines sehbehinderten Menschen zu nähern, hat mich selbst im Alltagsleben für akkustische Reize sensibilisiert. So konnte ich Elmars Bedenken nachvollziehen, als er erwähnte, dass die nahezu geräuschlose Elektromobilität im Straßenverkehr für Blinde zum Problem werden kann.

•Gibt es für Sie eine Geschichte oder Anekdote – lustig, nachdenklich stimmend oder auch tragisch – die Sie uns in diesem Zusammenhang mitteilen möchten?

Als Schauspieler stand ich einem Stück auf der Bühne, indem eine Kollegin einen Sturz in die Tiefe andeutete. Dazu musste sie erst über einen schmalen Grat balancieren, um sich dann in gewundener Form auf dem Boden zu plazieren. Ihr tänzersicher Akt endete also in einer grotesk anmutenden Position. Kaum hatte sie diese eingenommen war aus dem Zuschauerraum ein tiefes Grollen zu hören, dass sich immer mehr steigerte und schließlich in einem kurzen aber energischen Gebell endete.

Ich bemerkte ein leichtes Zucken der Kollegin und sah dass sich in ihrer  unmittelbaren Nähe, am Bühnenrand, tatsächlich ein Hund befand. Er schien zwar angeleint zu sein, aber… Erst in der Pause hatten wir Gelegenheit uns gehörig darüber auszulassen: wer denn so dreist sei, seinen Köter mit ins Theater zu nehmen?! Und überhaupt, wie es denn sein könne, dass der Platzanweiser so etwas zulasse! Was alles passieren hätte können wenn sich die Bestie losgerissen, auf die Bühne gesprungen und der Kollegin an die Gurgel gegangen wäre, vor aller Augen… man wollte es sich gar nicht ausmalen.

Hausverbot für diesen Banausen und seinen Höllenhund!!

Nach der Vorstellung haben wir erfahren, dass es sich um einen Blindenhund handelte. Seinem Impuls folgend wollte er sein Herrchen nur auf einen vermeintlichen Sturz, sprich auf ein  Hindernis aufmerksam machen. „Achso, ja dann.“ Den Rest der Vorstellung habe er friedlich vor sich hindösend verbracht. „Das brave Hundchen!“ Offensichtlich gab es nichts, aber auch gar nichts mehr, was seine Aufmerksamkeit nur ansatzweise hätte erregen können. Manche behaupteten sogar ein dezentes Schnarchen von ihm vernommen zu haben. Das ließ uns dann doch etwas irritiert zurück…

•Vertreten Sie, eventuell durch eigene Erfahrungen ausgelöst, bestimmte Ansichten zum Umgang mit dem Thema‚Behinderung’ in der Öffentlichkeit, zur Sozialpolitik, zur Rolle der Medizin oder des Gesundheitswesens?

Mein Vater ist aufgrund eines Schlaganfalls seit einigen Jahren auf fremde Hilfe angewiesen, auf die Unterstützung von Pflegekräften. Als von der Bundesregierung beschlossen wurde den Einsatz der Pflegenden in der Pandemie durch eine Bonuszahlung zu würdigen, hatte ich den Eindruck dass in der Gesellschaft ein neues Bewusstsein für diese Arbeit enstanden sein könnte. In die Debatte über Anerkennung und angemessene Vergütung der Pflegeberufe schien Bewegung gekommen zu sein.

Umso enttäuschender war es, als ich neulich in der Zeitung las, dass die Zahlungen nicht jeden oder manchen nur teilweise erreicht hätten. Es scheiterte offenbar an bürokratischen Hürden und der Tatsache dass manche Einrichtungen das Geld nicht für ihre Mitarbeiter anforderten bzw. nicht ausbezahlten. Wie soll man Interessenten für Berufe im Pflegebereich gewinnen, wenn man ihnen derart respektlos begegnet? Letztlich ist es auch ein respektloser Umgang mit Behinderten die auf fremde Hilfe angewiesen sind. Während ich diese Gedanken festhalte, frage ich mich: was kann man als Angehöriger oder Betroffener tun, um wirklich etwas an dieser Situation zu verändern und nicht nur den Missstand zu kritisieren?

Christian Baumann steht als Schauspieler seit 1996 auf der Bühne, vor allem im Münchner Metropoltheater. Im Fernsehen war er u.a. im POLIZEIRUF 110 (Regie: Dominik Graf) oder in der Thrillerserie DER PASS (Grimme Preis, Deutscher Fernsehpreis) zu sehen. Er ist die Station-Voice von Deutschlandfunk Kultur und regelmäßig beim Bayerischen Rundfunk sowie in Dokumentationen, Reportagen und zahlreichen Hörbüchern zu hören. Christian Baumann lebt in München. Weitere Infos unter: www.baumannchristian.de

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