Michaela Pries

Michaela Pries PorträtMichaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen für Schleswig-Holstein, hat sich freundlicherweise am 05.05.2023 zu ihren Berührungspunkten mit dem Thema Behinderung wie folgt geäußert:

• Haben Sie bei Ihrer Arbeit oder auch im Privatleben persönlich Erfahrung mit Behinderung oder behinderten Menschen gemacht? Hat dies Ihre innere Haltung zu diesem Thema beeinflusst?

Während meiner Schulzeit änderte sich durch die Erkrankung meiner Mutter mit anschließender schwerer Behinderung das komplette Leben. Damals war Inklusion gesellschaftlich noch kein großes Thema. Prägend war für mich das Erleben, dass meine Mutter auf der Straße teilweise angestarrt wurde und Menschen sich zurückgezogen haben. Ich habe das als sehr verletzende Ausgrenzung und Diskriminierung empfunden. Damals bin ich wie eine Löwin in Verteidigungs- und manchmal auch Angriffshaltung gegangen. Heute weiß ich, dass meist Unsicherheit und Unkenntnis dahintersteckte und es in der Öffentlichkeit wenig Begegnungsräume gab.

Wir mussten als Familie um Vieles kämpfen und ich habe früh Verantwortung übernehmen müssen. Das hat mich geprägt. Daher ist es wohl kein Zufall, dass ich mich beruflich und ehrenamtlich diesem Thema gewidmet habe und heute als Landesbeauftragte dafür arbeite, die Lebensbedingungen für alle Menschen gleichermaßen gut zu gestalten.

 • Gibt es für Sie eine Geschichte oder Anekdote – lustig, nachdenklich stimmend oder auch tragisch – die Sie uns in diesem Zusammenhang mitteilen möchten?

Der Bericht eines Mannes mit fehlenden Gliedmaßen ab Ellenbogen/Knie fällt mir dazu ein. Nachdem das Vorbereitungsprocedere zur Darmspiegelung bereits erfolgt war (Abführmittel etc.), erschien er zur Spiegelung. Die Untersuchung wurde nicht durchgeführt mit der Begründung; „Ach, Venenzugang am Armstumpf geht ja gar nicht. Woanders darf ich nicht ran, dann können wir die Darmspiegelung heute doch nicht machen.“ Diese Geschichte steht beispielhaft für viele Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen in unserem Gesundheitssystem.

 • Vertreten Sie, eventuell durch eigene Erfahrungen ausgelöst, bestimmte Ansichten zum Umgang mit dem Thema ‚Behinderung’ in der Öffentlichkeit, zur Sozialpolitik, zur Rolle der Medizin oder des Gesundheitswesens?

Im Grunde ist es total normal, eine Behinderung oder chronische Erkrankung zu haben. Ich selbst bin davon betroffen und ein Blick in die Statistiken zeigt, dass unglaublich viele Menschen damit zu tun haben. Berührungspunkte gibt es im Familien- oder Freundeskreis oder aus Selbstbetroffenheit. Eine Krebserkrankung, Diabetes, ein Unfall, Depressionen, genetische Dispositionen – es gibt so viele Gründe. Dazu wird unsere Gesellschaft immer älter.

Für eine Teilhabe, unabhängig von irgendwelchen Merkmalen wie z.B. einer Behinderung, ist Barrierefreiheit die zentrale  Voraussetzung. Und Teilhabe ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht. Barrierefreiheit ermöglicht es Menschen, nicht unter ihren Möglichkeiten leben und arbeiten zu müssen und sie benötigen weniger Sonderlösungen. Für unsere Gesellschaft ist es ein Gewinn von selbstbestimmten Bürgerinnen und Bürgern, die sich bei der Arbeit, im Ehrenamt oder in Familie und Nachbarschaft einbringen können.

• Setzen Sie sich für soziale Projekte ein, vielleicht sogar im Bereich Behindertenförderung? Haben Sie konkrete Vorstellungen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und worin Lösungsmöglichkeiten bestehen könnten?

Vor meiner Tätigkeit als Landesbeauftragte war ich in der Sozialen Arbeit tätig. Davon lange Zeit für einen Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe. Aber auch ehrenamtlich habe ich mich z.B. kommunalpolitisch im Beirat für Menschen mit Behinderungen meiner Stadt und in weiteren Vereinen und Organisationen engagiert. Besondere Handlungsbedarfe zu benennen hinterlässt immer den Eindruck, dass die anderen Themen nicht so wichtig wären. Ganz schwierig. Durch mein Amt ist es ja mein Beruf und meine Aufgabe, mit allen verantwortlichen Menschen Lösungen in allen Lebensbereichen zu entwickeln und insgesamt Menschen zu sensibilisieren. Stichwort: Abbau der Barrieren in den Köpfen.

Können Sie sich in die Lage Betroffener hineinversetzen? Würden Sie, wären Sie selbst betroffen, trotz der körperlichen Einschränkungen versuchen, im Rahmen des Möglichen Ihre bisherige Arbeit fortzusetzen?

Ich bin chronisch erkrankt und habe häufig Schmerzen. Es gibt Zeiten, in denen ich nicht gut „funktioniere“. Das nervt mich dann richtig und manchmal bremst es mich auch ordentlich runter. Aber bisher hat es mich nicht gestoppt.

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